Geschichte 1: Wie die Medien wurden, was sie sind
 
Die mündliche (es gab wohl Boten, die geschult waren Botschaften wortwörtlich zu überbringen) oder handschriftliche Botschaft war wohl der Vorläufer der meisten Medien. Das Wort „Medien” bedeutet wörtlich ungefähr „Vermittler”, oder im übertragenen Sinn Bote und Botschaft. Medien bieten bestenfalls Darstellungen der Wirklichkeit. Sie selbst können in Form von bedrucktem Papier, Tönen, Bildern und anderen sinnlich wahrnehmbaren Formaten aber auch selbst zu einer Art von Wirklichkeit werden, die aber mit den übermittelten Inhalten nichts zu tun haben muss. Zeitungspapier als Schutz vor Kälte (unter die Tapete geklebt oder auf der Parkbank für den Obdachlosen), als Verpackung auf dem Markt, oder als Rohstoff für Pappmache leistet Dienste, für die es ursprünglich nicht gedacht war und die völlig unabhängig davon sind, was in den Medien ursprünglich an Inhalten transportiert wurde.
„Flugblätter” kamen schon sehr früh auf den Markt, wo sie den Verkäufern dann abgekauft wurden, wenn sie nur reißerisch genug waren und etwas zeigten, oder von etwas erzählten, was man noch nicht gesehen, oder gehört hatte. Das Flugblatt entspricht der heutigen Boulevardpresse, die sich meistens auch täglich neu durch entsprechende Überschriften und Bilder verkaufen muss. Ob die Geschichten wahr sind, oder übertrieben, das spielte zunächst für den Verkaufserfolg nur insofern eine Rolle, als schon damals behauptet wurde, es handle sich um Wahrheit, selbst, wenn Teile frei erfunden waren. Mal wieder Wikipedia:
„Das Flugblatt war das erste Massenkommunikationsmittel und ist seit 1488 nachweisbar. Die Autoren blieben zumeist anonym. Während man allerdings heute beim Begriff „Flugblatt” an politische Flugblätter denkt, meint man, wenn man von Flugblättern im ausgehenden 15. Jahrhundert spricht, kommerzielle Einblattdrucke.”
Flugschriften hatten mehr als nur ein Blatt und erforderten, dass der Käufer lesen konnte, was anfangs nur einem kleinen Kreis von Gebildeten möglich war. Man könnte sie als Vorläufer der seriösen Tageszeitung betrachten. Schon damals waren die wirklich wertvollen Informationen umfangreicher und detaillierter, als Flugblätter, die reißerisch aufgemacht waren, ums ich zu verkaufen.
Daran hat sich bis heute wenig geändert. Das ist auch bei wissenschaftlichen Arbeiten so. Wer nur wissen will, was bei einer Untersuchung heraus gekommen ist, der kann die Zusammenfassung lesen. Wer aber beurteilen möchte, wie solide eine wissenschaftliche Arbeit und ihre Aussage sind, der muss auch lesen, wie die Untersuchung aufgebaut war, wie vorgegangen wurde und auf wie vielen Proben das Ergebnis beruht. Sehr viele wissenschaftliche Arbeiten sind nur bedingt, oder gar nicht aussagekräftig, weil zu wenige Fälle, zu wenige Proben untersucht wurden.
Das hat mathematische Gründe: Wer nur einmal würfelt, bei dem stehen die Chancen 1:6, dass er eine Sechs würfelt. Würfelt man sechs mal, dann ist die Wahrscheinlichkeit schon wesentlich höher, dass auch einmal eine Sechs dabei ist. Würfelt man sehr viele Male, dann dürfte jede der sechs Zahlen auf dem Würfel ungefähr gleich oft gewürfelt worden sein.
Als ich vor über 40 Jahren sozialwissenschaftliche Vorlesungen besuchte galt deshalb, dass eine Umfrage 1500 zufällig ausgewählte Leute (Random) befragt haben musste, um ein verlässliches Meinungsbild zu ergeben, oder mindestens 1000 Leute, wenn man eine bestimmte Personengruppe (Quota) zu einem bestimmten Thema befragte (z.B. Ärzte zu Akupunktur).  Heute werden auch Umfragen veröffentlicht, die mit geringeren Zahlen arbeiten. Gab es da tatsächlich einen Fortschritt bei der Untersuchungstechnik, oder nimmt man eine größere Unsicherheit in Kauf, weil die Befragung so vieler Menschen, selbst wenn sie am Telefon erfolgt, doch recht teuer ist?
Die humoristische, reich illustrierte deutsche Wochenschrift (1845 bis 1928) „Fliegende Blätter” spielte mit ihrem Titel auf frühe Flugblätter an. Karikatur und Satire sind rare Formen, die es schaffen in Kürze komplexe Zusammenhänge unter einem ungewohnten Blickwinkel darzustellen.
 
Die Masse macht‘s? Ein Zeitungskiosk wirbt für Titel zum Thema „Wissen”, indem er sie mehrmals ausstellt.
Carl-Josef Kutzbach
Montag, 3. Oktober 2016