Textende Roboter mbH
 
Dass Computersysteme Texte erzeugen können ist nicht mehr neu. Die Kontext-Wochenzeitung berichtet in ihrer Ausgabe 447 über Robocop-Reporter. Minh Schredle beschreibt zwei Anwendungen bei der Stuttgarter Zeitung:
  1. Die Daten über die Feinstaub-Luftbelastung und
  2. die Auswertung der Polizeipressemitteilungen.
Das erste ist bestenfalls eine Fleißarbeit, bei der Daten, die die Stadt Stuttgart auf ihrer Webseite anbietet, etwas aufbereitet werden. Das die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung das 2018 mit einem Preis für „Lokaljournalismus” auszeichnete, zeigt nur, dass sie von den Aufgaben des Journalismus keine Ahnung hat.
Auch das Zweite ist kein Journalismus, sondern eine Zusammenfassung der Polizeipressemitteilungen. Diese wiederum sind nicht etwa, was Journalisten erwarten würden, nämlich eine Information über die wichtigsten Einsätze, sondern die Polizei ist vom Innenministerium von Baden-Württemberg angehalten bestimmte Themen  als „Präventionswochen” umzusetzen, also mal Drogen am Steuer, mal Unfallflucht, mal Einbrüche, usw.. Es handelt sich also nicht, wie naive Journalisten annehmen könnten um eine Information für die Medien, sondern um PR für die Polizei. Die Stuttgarter Blätter lassen also einen Rechner die Polizei-PR auswerten und verkaufen das dem Leser als „Crime-Map” also als Kriminalitäts-Karte, auf der die Arbeit der Polizei gespiegelt würde.
Im Kontext-Artikel wird darauf hin gewiesen, dass von den rund 54 000 Straftaten der Kriminalitätsstatistik nur etwa 1800 durch Polizeipressemitteilungen erfasst wurden, also etwa jede 30., oder 3,33 %. Das ist mehr als das, was die Medien von den täglichen Ereignissen berichten (ungefähr 1%).
Wo liegt das Problem?
Während bei der Luftbelastung Daten nur aufbereitet werden, also ein Service geboten wird, der nichts mit Journalismus zu tun hat, erwartet man beim „Polizeibericht” eindeutig eine journalistische Leistung, nämlich einerseits die Auswahl der relevanten Themen und andererseits eine kritische Würdigung der polizeilichen Arbeit (Auch Polizisten sind Menschen und machen zwangsläufig Fehler.) Journalismus hat beide Aufgaben: Vermittlung, aber auch kritische Betrachtung des Geschehens, wozu eigene Recherchen gehören nicht nicht nur die Wiedergabe von Pressemitteilungen.
Anderen Redaktionen war schon aufgefallen, dass es immer wieder gehäuft bestimmte Themen gab, über die die Polizei berichtete, während Einsätze, von denen Leser der Redaktion berichteten, überhaupt nicht vorkamen. So etwas merkt ein Computer nicht, außer, man programmiert ihn entsprechend. Dann würde er solche Häufungen selbstverständlich erkennen.
Aber journalistisch zu arbeiten, also die Quellen kritisch zu prüfen, die Aussagen durch Gegenrecherchen auf ihre Belastbarkeit und Richtigkeit zu untersuchen, das kann der Text-Computer nicht.
Das Beispiel zeigt, dass die Stuttgarter Blätter ihre Leser nicht mit seriösem Journalismus bedienen, sondern mit billigeren ungeprüften und zum Teil automatisch erzeugten Texten abspeisen.
Dass in diesem Zusammenhang offenbar wurde, dass Polizei und Innenministerium die Medien ebenfalls nicht mit journalistisch sauberen Pressemitteilungen versorgen, sondern mit PR-Texten zur Eigenwerbung, ist ein erfreulicher Nebeneffekt, der aber andererseits das Vertrauen von Medien in alle Pressemitteilungen gründlich erschüttern müsste. Zumal 75 Prozent der berichteten Themen auf Pressemitteilungen zurück zu führen sind!
 
 
Die Werbung der STNZ für ihre Crimemap verspricht mehr, als sie halten kann, denn sie zeigt eben nicht, wie oft die Polizei zu welchen Einsätzen ausrückt, weil sie das gar nicht erfährt. Damit ist sie für die Leser weitgehend nutzlos.
Carl-Josef Kutzbach
Sonntag, 27. Oktober 2019