Begriffsverwirrung
 
Kürzlich wunderte sich eine Deutschlehrerin darüber, dass das, was sie auf Grund der Zusammenarbeit mit der örtlichen Zeitung für „Reportage” und „Bericht” hielt, nicht mit dem übereinstimmte, was ich dafür halte. Einige Jahre zuvor erklärte mir ein Redakteur des Deutschlandfunks, dass ich in einen Bericht unbedingt zwei Stimmen einbauen müsse, denn sonst hätte man ja auch ein Telefoninterview mit dem Gesprächspartner machen können. Den Unterschied zwischen Bericht und Interview kannte er offenbar nicht, oder hielt ihn für vernachlässigbar. Mein Argument, dass es doch wohl um die bestmögliche Information für den Zuhörer gehen müsse und schon der eine Gesprächspartner viel mehr zu bieten habe, als in den 3-5 Minuten eines Beitrags unter zu bringen sei, verfing nicht. Damit endete eine jahrelange Zusammenarbeit.
Wenn man bei Wikipedia nachschaut spiegelt der Beitrag über die Reportage das Durcheinander:
Als Reportage (von lateinisch reportare = berichten, melden - wörtlich zurück-tragen) bezeichnet man im Journalismus unterschiedliche Darstellungsformen, bei denen der Autor nicht vom Schreibtisch aus, sondern aus unmittelbarer Anschauung berichtet.
Doch dann trennen sich die Wege:
In den Printmedien steht der Begriff gemeinhin für einen dramaturgisch aufbereiteten Hintergrundbericht, der einen Sachverhalt anhand von konkreten Beispielen, Personen oder deren Schicksalen anschaulich macht. Während Nachricht und Bericht Distanz wahren, geht die Reportage nah heran und gewährt auch Beobachtungen und weiteren Sinneswahrnehmungen ihrer Protagonisten Raum.
Beim Funk dagegen sieht es anders aus:
Im Rundfunkjargon gilt bereits die einfache Berichterstattung vom Ort des Geschehens als Reportage. So firmieren Sportjournalisten, die live aus dem Stadion Fußballspiele kommentieren, oft als Fußballreporter.
Kein Wunder, dass Laien verwirrt sind, wenn Vertreter des einen oder anderen Mediums ihre Sicht darstellen. Liest man weiter, wird es noch verwirrender, weil es viele Mischformen gibt:
Dem Reporter ist es – im Gegensatz zum Verfasser von Nachrichten oder Berichten – erlaubt, Fakten durch eigene Eindrücke zu ergänzen, die er oder sie – oft bei Anwesenheit am Ort des Geschehens – gesammelt hat. Idealerweise erzählt er, ohne dabei zu werten oder zu kommentieren, auch nicht durch Weglassen. Er beschränkt sich auf eine narrative Funktion, spricht überwiegend im Präsens und bewirkt dadurch, dass sich der Rezipient (Leser/in, Zuhörer/in oder Fernsehzuschauer/in) gut in die Situation hineinversetzen kann.
Beispiel: „Ein Haus hat gebrannt.” Die Reportage beschreibt detailliert, wie es darin aussieht, und versucht, beim Rezipienten oder bei der Rezipientin „Kino im Kopf” ablaufen zu lassen. Sie schildert die „versengten, schwarzen Treppengeländer, denen man nur schwer ansieht, dass sie aus Holz sind”.
Eine Reportage kann verknüpft sein mit Interviews und Kommentaren. Sie kann aus Texten, Fotografien (Fotoreportage) oder einer Kombination aus beidem bestehen. Letzteres ist die verbreitetste Form.
Leider, oder vielleicht zum Glück, steht im Artikel nichts über Fernseh-Reportagen, denn die sind vermutlich noch einmal anders definiert.
Wenn im journalistischen Handwerk schon die Begriffe nicht allgemein gültig sind, dann kann man sich vorstellen, dass Laien sich erst recht nicht auskennen. Auch die Zusammenarbeit von Journalisten in Redaktionen, die nicht nur Print, Funk, Fernsehen oder Internet* machen, sondern alles gemeinsam, dürfte darunter leiden.
Jörg Sadrozinski, Leiter und Geschäftsführer der Deutschen Journalistenschule in München: 
„Es gibt in der Journalistenausbildung in Deutschland keine gemeinsamen Qualitätsstandards, aber hunderte verschiedener Möglichkeiten, Journalismus zu lernen. Das geht vom Kultur-, Video-, Modejournalismus über Digital oder New Media Journalism bis hin zu Journalismus & PR. Wir brauchen gemeinsame Standards und Orientierung - sonst wird Journalismus immer beliebiger und damit unglaubwürdiger”.
So wird er in der Presseerklärung zur „Qualitäts-Charta der deutschen Journalistenschulen” vom 8.Juli 2016 zitiert, in der es auch heißt:
Deutsche Journalistenschulen haben sich im Mai 2016 erstmals in der Mediengeschichte der Bundesrepublik in einer Qualitäts-Charta auf gemeinsame und verbindliche Ausbildungsstandards geeinigt. Sie sind davon überzeugt, glaubwürdiger Qualitätsjournalismus nur auf der Grundlage einer exzellenten Ausbildung möglich. Gebraucht werden zeitgemäß und gut ausgebildete Journalistinnen und Journalisten mit Haltung.
Zwei Hindernisse machen dabei zu schaffen:
1.	Auf Grund der Erfahrungen mit der Reichsschrifttumskammer des 3. Reiches und den Schreibverboten für Journalisten und Autoren legte man fest, dass der Zugang zum Beruf frei sein solle. Jeder sollte unter seinem Namen veröffentlichen können, was er oder sie für so wichtig hält, dass es veröffentlicht werden sollte. Der Haken daran ist, dass damit auch keinerlei Qualitätskontrolle, keine Prüfung der handwerklichen und geistigen (z.B. Logik, Kenntnisse) Voraussetzungen stattfindet und auf dem „geduldigen Papier“ neben Anspruchsvollem auch Törichtes als gleichberechtigt erscheint. 
2.	Medien ermutigen Laien selbst journalistisch tätig zu sein, wie Michael Hirschler am 15. Juli 2016 im DJV-Newsletter** schreibt: 
„In diesen Tagen ist es 10 Jahre her, dass die Bild-Zeitung zum ersten Mal um Amateurfotos für das eigene Blatt warb. Leser sollten Schnappschüsse einschicken, für die es bei Veröffentlichung Honorar gibt, so die Idee, für die der Begriff "Leser-Reporter" geprägt wurde. BILD zog jetzt Bilanz: 1,3 Millionen Fotos wurden seit 2006 eingeschickt, von denen 26.000 veröffentlicht wurden. 3,6 Millionen Euro zahlte das Blatt an die Amateure. Bis zu 250 Euro gibt es laut BILD für ein Foto der Leser-Reporter. Besonders bitter: Hauptberuflich tätige Bildjournalisten, Profis also, müssen sich mit rund 50 Euro Honorar begnügen.”
Acht Fotos am Tag zu durchschnittlich 138,50 Euro veröffentlicht das Blatt. Jedes 50. eingesandte Bild wird auch veröffentlicht. Nun gibt es hervorragende Amateure mit bester Ausrüstung und auch die Mobiltelefone liefern heute zum Teil schon gute Qualität. Aber mit dieser Aktion wird dem Laien suggeriert, dass jeder journalistisch tätig sein könne, auch ohne Kenntnis der Rechtslage (z.B. Recht am eigenen Bild), oder ohne gründliche Recherche. Dazu hat sicher auch die technische Entwicklung beigetragen, die auch Laien ermöglicht Fotos mit brauchbarer Qualität, mit Orts- und Zeitangabe in kürzester zeit in die Redaktion zu übertragen. Aber warum zahlt die Redaktion den Profis weniger als den Laien? Was soll das? 
Es geht vermutlich um zwei Dinge: einmal darum die Leser an das Blatt zu binden. Andere Blätter bieten entsprechende Geschenke, wenn man ein Abonnement abschließt und zweitens erhofft man sich so Bilder, die die anderen Blätter, die mit Profis arbeiten, nicht bekommen, um dann mit dem Schlagwort „exklusiv!” werben zu können.
Übrigens betreiben auch andere Medien bei Fotos Preisdumping, dass die professionellen Bildjournalisten in Existenznöte bringt. Ein öffentlich rechtlicher Sender zahlt seinen Hörfunkreportern (zumeist wohl fotografische Laien) 3,50 €, wenn sie von einem Termin auch ein verwertbares Bild mitbringen. Ein anderer ebenfalls öffentlich rechtlicher Sender forderte seine Fernsehteams auf kostenlos Bilder für die Veröffentlichung in Facebook zu liefern. 
Nun ist die Verwendung von Bildern, die Laien gemacht haben nicht neu. Schon früher hat sich mancher junge Mensch ein Zubrot verdient, wenn er der örtlichen Zeitung Fotos verkaufte, egal, ob vom Bunten Abend, oder vom örtlichen Sportverein. Auch Lehrer schrieben Kritiken zu Aufführungen. Waren die Werke gut, dann entstand daraus im Laufe der Zeit eine Freie Mitarbeit und die Qualität wuchs mit der Übung. Mancher Journalist hat früher so angefangen. Das erklärt auch, weshalb die Qualität von verschiedenen Blättern schon lange eine erhebliche Streubreite hat. 

* Internet steht hier für Webseiten, Blogs, Twitter, Facebook und andere Dienste, die im Netz verbreitet werden.
** DJV ist die Abkürzung für den Deutscher Journalisten Verband

https://de.wikipedia.org/wiki/Reportagehttps://de.wikipedia.org/wiki/Reichsschrifttumskammershapeimage_1_link_0shapeimage_1_link_1
Carl-Josef Kutzbach
Montag, 3. Oktober 2016