Symbolfoto
 
„Symbolfoto“, was soll das heißen? Weil es früher technisch ziemlich aufwendig war ein Foto ins Blatt zu bringen, gab es nur wenige Fotos. Noch früher, bei Holzschnitten oder Stichen, war es ähnlich. Das Foto für die Zeitung musste gerastert werden und dann in eine Mater ( Druckvorform aus Pappe ) umgewandelt werden, mit der dann der Druckzylinder entsprechend geätzt wurden, so dass jeder einzelne Punkt des Bildes nachher gedruckt werden konnte.
Mt dem Wechsel zum Lichtdruck ( Offset ) wurde es technisch einfacher Bilder, sogar in Farbe zu drucken, wie ich Anfang der siebziger Jahre in England staunend sah, das damals weiter war, als Deutschland. Aber in England las fast jeder Engländer eine Sonntagszeitung, oder eben mehrere, was Babies und Kleinkinder, kompensierte.
Mit dem Internet kam eine dritte Welle von technischen Veränderungen, die zugleich soziale Veränderungen mit sich brachte. Man meinte zu jedem Text auch ein Bild haben zu müssen. Was zunächst nach „Goldenen Zeiten“ für Fotografen aussah, ruinierte das Geschäft. Einerseits scheuten viele Redaktionen, auch bei der ARD, die Kosten für die Bilder und dem entsprechend entstanden Bildersammlungen, bei denen man sich für kleines Geld bedienen konnte, weil die Fotografen auf ihre Rechte verzichteten. Dass da auch die öffentlich rechtlichen Sender mit machten ist eine Schande, weil es die Axt an die Wurzel von guter journalistischer Fotografie legte. Wenn dpa teilweise nur noch 50 Cent pro Bild bezahlt, dann kann man sich ausrechnen, dass ein Fotograf über 400 Bilder am Tag verkaufen müsste, um auf einen anständigen Lohn zu kommen. Das ist in guter Qualität nicht zu schaffen. Also führte der Wunsch alles mit Bildern zu versehen zu einem Niedergang der Bildqualität.
Auch bei Radio und Fernsehen bekamen Journalisten zu hören: „Mach doch mit dem Handy ein paar Bilder und schick sie uns vorab für den Teaser ( Aufreißer, Anmacher ). Auch wenn Fernsehjournalisten in Bildern denken müssen, heißt das noch lange nicht, dass sie gute Bilder machen könnten und genügend Zeit für ordentliche Aufnahme hätten. Was bei solchen – meist unbezahlten – Nebenjobs heraus kommt, kann man sehr gut in den Printmedien sehen, die viel zu oft Bilder haben, die früher wegen handwerklicher Mängel vom Bildredakteur ( den es meist nicht mehr gibt ) aussortiert wurden.
Wer mit der Unsitte des „Symbolfotos“ angefangen hat, weiß ich nicht. Dabei wird zum Beispiel bei einem Beitrag über Landwirtschaft ein „Traktor auf dem Feld“ abgebildet, der aber nichts mit dem Beitrag daneben zu tun hat. Solange Bilder teuer waren, mussten sie etwas bieten, was den Text ergänzt, also wertvolle Zusatzinformationen enthalten. Das Symbolfoto hat nur noch im weitesten Sinne etwas mit dem Beitrag zu tun. So kommt es schon mal vor dass dasselbe Foto mehrfach zur Illustration für den Polizeibericht benutzt wird ( Blaulicht, Streifenwagen, Absperrung, Rettungsfahrzeug ). Das erspart ein Bild vom Ort des Geschehens und es muss niemand mehr hinfahren, um als Augenzeuge für die Mediennutzer zu berichten. Man übernimmt lieber den Polizeibericht, der nichts kostet, oder Meldungen aus dpa ( Deutsche Presse Agentur, eine Agentur, die von den Medien nach dem 2. Weltkrieg gegründet wurde ). Daher erscheinen viele Medien weitgehend gleich zu sein, was zum falschen Vorwurf der „Lügenpresse“ führte. In Wirklichkeit ist das ein Armuts-Zeugnis und Ausdruck von Sparsamkeit am falschen Fleck.
Wozu ist dann das Symbolfoto noch gut? Ein faszinierendes Foto wurde früher dazu benutzt Leser für den Text daneben zu gewinnen ( in der Werbung, wie im Journalismus ). Heute kann man sich nicht mal mehr darauf verlassen, dass man den Artikel mit einem Symbolfoto, das einem bekannt vorkommt, schon mal gelesen hat. Das Bild kann auch einfach wieder mal verwendet worden sein, weil man gerade nichts Besseres hatte.
Zur Orientierung des Mediennutzers könnten genau so gut Piktogramme dienen, wie sie einst Otl Aicher für die Olympischen Spiele 1972 in München entwarf. Aber eigentlich hatte die Überschrift diese Aufgabe, nämlich über das Wesentliche des Beitrags zu informieren. Seit aber Überschriften fast nur noch der Anmache dienen und oft in Frageform auftauchen, funktioniert auch das nicht mehr.
Für den, der sich auskennt, ist ein „Symbolfoto“ ein Symbol dafür, dass an dieser Stelle entweder gar kein Foto und nur eine aussagekräftige Überschrift, oder aber ein gutes Foto, das in einer Beziehung zum Beitrag steht und ihn erweitert, veröffentlicht werden müsste.
Das „Symbolfoto“ ist außerdem ein Zeichen dafür, wie die Medien ihre Aufgabe in der Demokratie vernachlässigen und den Leuten Zeit stehlen, indem sie sie zu “Klicks im Internet“ verlocken, statt Orientierung und Aufklärung zu bieten.
 
 
Die Grafik oben zeig,t dass ein Symbolfoto fast nichts aussagt, also weitgehend wertlos ist.
Carl-Josef Kutzbach
Samstag, 12. November 2022
 
 
 
 
                            Symbol,
wofür?
 
 
Foto,
von was?