Verdammt noch mal, wo steht bloß der Satz, dass beim Schreiben 30 % Inspiration seien und 70 % Transpiration? Ich finde ihn nicht, habe aber dafür wieder einmal viele Perlen bei Kurt Tucholsky gefunden.
Oder stammt das von Curt Goetz?
(Die Suchmaschine weiß es auch nicht!)
Der Satz behauptet, dass eine Idee mit mindestens doppelt so viel Anstrengung in einen Text verwandelt werden müsse. Sofort wird klar, weshalb viele heutige Medien miserabel geworden sind. Es fehlt die Zeit, um sich Gedanken zu machen und diese angemessen zu formulieren. Beim Wettlauf, wer als erster mit einer Meldung im Internet erscheint, bleibt die Zeit zum Nachdenken und vor allem zum „am Text feilen” auf der Strecke.
Von Fehlern wollen wir lieber gar nicht reden, nur an das chinesische Sprichwort erinnern: Eile ist Irrtum!
Was ist Schreiben und warum ist es gelegentlich sehr schwer? (Als ich das von erfahrene Kollegen als Anfänger hörte, fiel mir ein Stein vom Herzen.)
Schreiben bedeutet Gedanken und Gefühle in Worten und Sätze festhalten, die möglichst genau das mitteilen sollen, was man für wichtig hält.
Voraussetzungen sind:
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1.Das man die Sprache beherrscht.
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2.Dass man logisch Denken kann; wie soll man sonst merken, wenn Informationen nicht plausibel sind.
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3.Dass man Informationsgeber versteht; im Idealfall nicht nur, was sie sagen, sondern auch, was sie sagen wollen. Dazu gehört Einfühlungsvermögen.
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4.Dass man seine Gesellschaft und ihre Gremien so gut kennt, dass man Informationen einordnen und bewerten kann, auch wenn man keinen Kommentar schreibt.
Wünschenswert wäre auch, wenn man die Informationen in solche Sprachbilder zu übersetzen vermag, dass sie die allermeisten Menschen verstehen, nicht nur die mit Abitur. Und trotzdem sollte die Sprache Stil haben, nicht nur Handwerk. Tucholsky konnte das, wie man auch an seinen Gedichten merkt.
Ja und dann wird es ganz schwierig, denn man sollte einen Standpunkt haben, von dem aus man die Welt betrachtet. Dazu bedarf es eigentlich einer gewissen Lebenserfahrung, die Anfänger meist noch nicht haben können, sondern sich erst erarbeiten müssen.
Daraus erwächst dann unter Umständen auch eine Haltung, die dem erfahrenen Leser nicht verborgen bliebt, die ihn anzieht, oder abstößt, aber in jedem Fall weiß er woran er ist, ohne, dass der Autor Meinung und Nachricht vermengt.
Ob jemand konservativ, liberal, oder progressiv sein will, ist nicht das Problem, solang er es redlich ist. Sobald aber die Fakten der Meinung untergeordnet werden, ist das ein handwerklicher Fehler und Verrat am Leser.
Wer keine Haltung, Meinung, klare Analyse hat, der hüte sich vor Geschwafel. Zitat von Tucholsky:
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Überschrift eines demokratischen Leitartikels: „Jein.“
Um Schreiben zu können,
muss man auch Lesen können.
Beim Schreiben werden die Gedanken und Gefühle, die man ausdrücken möchte, zu Worten, Sätzen, Absätzen und Kapiteln, die dann nicht mehr im Kopf, sondern als Geschriebenes vor einem steht. Ein Text, denn man eine Nacht liegen lässt, schaut am anderen Morgen bereits ein klein wenig fremd aus. Dann wird es spannend. Sagt er immer noch aus, was beabsichtigt war? Sind die Formulierungen, die Sprachbilder gut gewählt? Liest er sich flüssig, möglichst ohne logische Brüche oder große Sprünge in der Argumentation? Das Aufschreiben stellt einem Autor den Text gegenüber, so dass er mit diesem Text ringen kann. Da fängt die Arbeit also erst richtig an.
Für die Stoffsammlung sollte man Handschrift bevorzugen, weil man sich dabei die Inhalte besser einprägt. Für die Ausarbeitung ist die Maschine ganz hilfreich, weil sie den Text in eine weniger vertraute Form bringt, wie die Handschrift, und daher helfen kann, den Text auch mit anderen Augen zu sehen.
Der Liedermacher Hannes Wader beschrieb einmal, wie er erst eine Geschichte aufschreibt und diese dann in einem zweiten Arbeitsschritt zu einem Lied verdichtet. So geht das! Erst macht man sich Notizen (Recherche oder Idee), dann deren Verarbeitung und schließlich das Feilen und Polieren des Rohtextes, bis er gelungen ist. Und selbst dann kann es geschehen, dass man nach ein paar Tagen immer noch nicht ganz glücklich mit dem Werk ist und noch mal dran geht.
Kein Wunder, wenn Idee oder Recherche nur ein kleiner Teil der Arbeit sind und der größte Teil darin besteht aus den Rohmaterialien ein gelungenes Werk zu schaffen. Dabei unterscheidet Tucholsky durchaus zwischen Gebrauchstexten und Kunstwerken. Das heißt nun aber nicht, dass Gebrauchstexte, egal ob Journalistische, oder Gebrauchslyrik, nicht handwerklich so solide verfasst werden sollten, wie Literatur. Aber man sollte sich als Journalist davor hüten zu meinen, man sei ein Künstler. Nein, man ist Handwerker, der Anderen und damit der Demokratie einen Dienst erweist.
Dazu muss man aber den eigenen Text auch mit den Augen anderer zu lesen vermögen, ob er verständlich ist, ob er Fehler enthält, die man bisher übersah, ob er eindeutig ist, oder in die Irre führen könnte. Dazu gehört auch die Rechtschreibung und Zeichensetzung! Rechtschreibprogramme ersetzen keine Kenntnisse.
Genau dafür bleibt aber heute meist keine Zeit, weil die Meldung so schnell wie möglich erscheinen soll. Das aber ist das falsche Ziel. Was würde man sagen, wenn man in einem Schnellimbiss Essen bekommt, das in der Mitte noch gefroren ist, weil es nicht lang genug in der Mikrowelle war? Da würde man reklamieren. Aber bei Texten in den Medien, die noch nicht gar sind, wird das hin genommen?
Dabei bestimmen die Meiden mit darüber, wie gut es der Demokratie und damit allen Mitbürgern geht. Medien bestimmen das Weltbild der meisten Leute. Tucholsky forderte, man müsse vier einheimische und zwei ausländische seriöse Blätter lesen, um im Bilde zu sein. Wer tut denn das heute noch?
Heutige Medien neigen dazu, Schnelligkeit und wirtschaftliche Interessen an die erste Stelle zu setzen und die Qualität darf vielleicht auch irgendwo hinterher schleichen. Das ist falsch, denn es belohnt schlampiges Arbeiten und entwertet die seriös arbeitenden Autoren. Das ist aber nicht die Hauptaufgabe der Medien, sondern eine Fehlentwicklung, die der Demokratie und damit allen Bürgern schadet.
Ganz neu ist diese Geringschätzung des Schreibens und der Autoren nicht. Zitat Tucholsky:
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„Dies” sagte der Verleger, der seine Zeitung verkaufen wollte, „ist der Maschinensaal… hier sind die Verlagsräume… sehen Sie, das ist die Expedition (Vertrieb)…und hier ist die Anzeigenannahme - und das da, sch Gott, das ist bloß die Redaktion.”
Wohin diese Haltung in Deutschland geführt hat, ist bekannt. Kurt Tucholsky ist daran zerbrochen. Der Verleger wohl eher nicht.
Handschrift mit Füllfederhalter