Datenjournalismus - Äpfel und Birnen
 
Duschen oder Baden, das ist oft gar nicht die Frage
 
In der Stuttgarter Zeitung hat Lukas Böhl einen Kostenvergleich zwischen Duschen und Baden durchgerechnet. Er kommt zu dem Schluss, dass Baden im Schnitt 0,80 € teurer sei, als Duschen. Der Preisvorteil der Dusche schwankt nach Wärmequelle zwischen 0,49 und 1,21 €.
Soweit so gut und dank Duschkostenrechner der Verbraucherzentrale wohl auch solide.
Der einzige Haken an der Gegenüberstellung ist, dass diejenigen, die z.B. wegen ihres Berufes Duschen müssen, das fast täglich tun. Aber die meisten Menschen nur ein oder zwei Mal in der Woche in die Badewanne steigen. Es stehen also sieben mal Duschen zwei mal Baden gegenüber. Dafür badet man dann meist auch länger.
Wenn man das nun an Hand der Tabelle vergleicht, dann findet man, dass Duschen mit einem mittelprächtigen Erdgas-Wassererhitzer ( 7 x 0,91 = 6,37 € ), aber Baden nur ( 2 x 1,71 = 3,42 € ) in der Woche kostet. Beim klassischen „Bad am Samstagabend” a la Wilhelm Busch, sogar nur die Hälfte. Nutzen zwei die Wanne, wird es noch mal billiger.
Das heißt, der Vergleich ist mathematisch korrekt, aber er geht nicht auf die unterschiedlichen Lebensumstände ein. Wer bei der Arbeit viel schwitzt, oder dreckig wird, kommt um häufigeres Duschen kaum herum. Das bedeutet dieser Mensch zahlt auch mehr für das Duschen, als jemand, der vielleicht am Schreibtisch arbeitet und wenig schwitzt. Für den kann es durchaus genügen ein oder zwei Mal in der Woche zu Baden und ansonsten mit Seife, Waschlappen oder Schwamm dort zu reinigen, wo es nötig ist ( etwa am Hals wegen des weißen Kragens ), oder nur zu Duschen, wenn man verschwitzt vom Sport kommt.
Hier zeigt sich, dass der Vergleich und die Tabelle zwar Anhaltspunkte geben können, aber für die Meisten wenig bringen, weil ihre Arbeitsbedingungen mit darüber entscheiden, ob Waschen und Baden genügen, oder ob Duschen notwendig ist. Sie haben oft gar nicht die Wahl. Dann aber bringt die Tabelle herzlich wenig, so sehr sich der Autor auch Mühe gegeben hat.
Gar nicht zu empfehlen ist übrigens ein Bad in Sekt, denn der klebt so, dass man hinterher auch noch Duschen muss, um nicht mehr klebrig zu sein. Das ist dann besonders teuer.
Es genügt eben nicht die Kosten verschiedener Tätigkeiten nebeneinander zu stellen und zu vergleichen, sondern man muss schon etwas genauer hinsehen und überlegen, ob sich die Lebensumstände der Menschen überhaupt vergleichen lassen. Die Hauer im Bergbau konnten sich, wenn sie wieder „Übertage” waren, in der Waschkaue säubern. Da zahlte vermutlich die Zeche das Waschwasser. Und schon wieder würde die Rechnung nicht aufgehen. Auch Fußballer duschen oft nach einem Spiel in der Kabine, zahlen also ihre Dusche nicht selbst.
Datenjournalismus kann eben sogar dann daneben liegen, wenn die Daten und Berechnungen an sich richtig sind, aber der Bezug falsch gewählt ist.
 
Das Bild oben zeigt einen Bildschirm, der einen Fehler im Betriebssystem anzeigt.
 
 
Carl-Josef Kutzbach
Montag, 24. Oktober 2022